Zum Wert und zur Verwertung von Kunst

Was ist der Wert von Kunst und wie soll man für ihn bezahlen? Lässt sich ihr Wert überhaupt in Geld beschreiben? Geht es in vielen Fällen nicht gerade vielmehr darum, bestehende Ansichten, Wert(haltungen) und kritiklose Konsumperspektiven in und mit der Kunst in Frage zu stellen?

Ohne Frage besteht also ein Spannungsverhältnis zwischen Kunst als Inhalt und ihrer Vermarktung bzw. den damit verbundenen Mechanismen und instrumentellen Denkhaltungen. Pragmatischerweise will ich mich hier allerdings nicht mit philosophischen Grundfragen zur Werthaftigkeit künstlerischer Kulturleistungen aufhalten sondern mit und für Künstler Perspektiven einer praktisch realisierbaren Finanzierung von Kunst diskutieren, die sich gerade nicht den plumpen Marktmechanismen unterwirft. Gerade in jüngster Zeit scheinen sich einige technisch wie sozial getriebene Veränderungen in der Kunst Bahn zu brechen, die es dem Künstler scheinbar mehr als jemals zuvor ermöglicht, selbst- und eigenständige Wege zur Realisierung und Vermarktung seiner Kunst zu suchen. Ob es sich dabei um Musiker handelt, die den Vertrieb Ihrer Musik online selbst in die Hand nehmen, bildende Künstler, die ihre Projekte auf Crowdfunding-Plattformen finanzieren oder sozial organisierte Künstlernetzwerke, die ihre Ausstellungen virtuell in den sozialen Raum tragen – alle verbindet das immens gestiegene Maß an vielleicht auch nicht immer ganz freiwilliger Eigenverantwortlichkeit ihres Kunstschaffens, von der Initiierung bis zur marktbezogenen Abwicklung Ihrer Tätigkeit.

Konnte der Künstler sich früher noch auf (s)ein Handwerk zurückziehen und auf die technische Perfektionierung konzentrieren, so ist der heutige Kunstschaffende spätestens mit dem Anbeginn des Social Media Zeitalters nicht nur Künstler in der Sache sondern immer auch Entertainer, Marketer, Fundraiser, Netzwerker, Politiker, Stratege, Geschäftsmann,… Freilich mag das für den Kunstbetrieb einiger großer Meister bereits vor hunderten von Jahren gegolten haben, jedoch ist der Unterschied zu heute ganz klar der, dass der heutige Künstler all das in einer Person ist – nicht wie die alten Meister, die zum Teil gleich eine ganze Schule von ausführenden Kräften, Helfern, Planern, Netzwerkern und Mäzenen beherbergt haben. Gleichwohl arbeitet auch der moderne Künstler nicht allein sondern braucht gleich seinen vielen Vorgängern Kommunikation und Kooperation für das Gelingen aller größeren Projekte. Oft entsteht neue Kunst auch gerade erst aus der verbindenden Verarbeitung und originellen Rekombination bestehender Strömungen und Ansätze – eine Tätigkeit, die alleine gar nicht möglich ist. Inspiration erwächst erst aus dem aktiv verarbeitenden Austausch – ein Austausch doch so ganz anders als der, den der Marktmechanismus mit klingender Münze befördert. Anders als dieser verändert sich der Gegenstand in jedem Austauschverhältnis zwischen Künstlern, und mit der Veränderung entsteht Neues, Einzigartiges, das – nur wenn es den Markt zugleich überrascht und bestätigt – auch mit klingender Münze belohnt wird. Alles was jedoch zu neu oder zu unerwartet erscheint rutscht durch das grobe Marktraster hindurch wie der kleine Fisch durch das grobmaschiges Netz eines Industriefang-Schiffes.

Während auf der Seite der Kunstvermarktung also bereits professionelle Strukturen nicht unähnlich denen großer Investment-Banken existieren, wird der Künstler zwar durch die Technik individuell unterstützt, aber bei weitem nicht befreit. Vielmehr droht er zum Sklaven von elektronischen Kunstvermarktungssystemen zu werden, die ihn immer schneller zu immer neuen, spektakulären Projekten drängen, die alle nur auf die Befriedigung bestehender Trends und Nachfragen auf dem Umschlagplatz der Kunst abzielen. Während man also früher eher das Problem hatte, ein bestehendes Kunstwerk “marktfähig” zu machen wird heute Kunst tendenziell immer öfter nur noch unter dem Vorzeichen eines durchkalkulierten Investment-Projekts realisiert. Die Frage ist dabei grundlegender Art: Wie versteht der Künstler sich und sein Werk? Auch früher war Überzeugungsarbeit und Inszenierung Bestandteil der Kunst und damit der Arbeit des Künstlers, so wie “Persuasion” (Überzeugung) als eine Dimension von Kreativität verstanden werden kann.  Wesentlich ist aber der Grad: Inwieweit versteht sich Künstler gegebenenfalls ausschließlich als Marketer seiner eigenen Person? Sicherlich gehört die Inszenierung der eigenen Künstler-Persona mit zum Werk, sie ist die erweiterte Darstellung des Werks. Jedoch hört Kunst spätestens dort auf, wo die Marktmechanismen Künstlerfreiheit ausschließen oder vollkommen diktieren. Demzufolge könnte auch die Kunst eines hochgelobten und vom Markt geliebten Damien Hurst letztlich nur Trendakrobatik sein – der Grenzfall eines genialen Selbstvermarkters der mehr Provokation als Inhalt bietet und sich der Oberflächlichkeit der Marktnachfrage so perfekt angepasst hat wie der Börsenmakler an die Ausnutzung der Arbitrage.

Wenn man nun davon ausgeht, dass Kunst immer auch Kultur und damit kultureller Wert ist kann sich der Wert eines Kunstwerks aber nie ausschließlich in dieser Art von “Nachfrage” erschöpfen, insbesondere da Kunst sich mit bestehenden Werten auch kritisch auseinandersetzen muss. Wert entsteht hier also mehr als irgendwo sonst erst durch schöpferische Zerstörung des Bestehenden, allenfalls noch vergleichbar mit disruptiven Innovationsvorgängen im Sinne eines Schumpeter. Solche starken Schöpfungsprozess bedürfen des Zusammenwirkens vieler Kräfte und vor allem der Kooperation und gegenseitigen Inspiration von Künstlern. Umso weniger ist es daher möglich, einzelne Künstler in die Pflicht zu nehmen, ihr Kunstschaffen als soziotechnisch optimierte Industriefertigung und -vermarktung zu betrachten. Wenn moderne Technik überhaupt helfen kann dann nur dort, wo sie ein bereits bestehendes mehr kooperatives als kompetitives Modell des Kunstschaffens durch entsprechende Struktur und Austausch sinnvoll unterstützt. Anders als Plattformen für das individuelle Crowdfunding von Künstlern bedarf es daher vielmehr sinnvoller Applikationen die es Künstlergemeinschaften erlaubt, ihre Kunst im freien gegenseitigen Austausch zu schaffen und sich bei der Vermarktung gegenseitig zu unterstützen als jeden einzeln zum Marktsklaven seiner selbst zu machen. Der Ausverkauf der kreativen Seele des Künstlers bedarf einer würdigen Technik, die nicht nur den technischen Prozess sondern vielmehr den kreativen Menschen und seine Gemeinschaft durch rollenspezifische Austauschprozesse wertschätzt. Dazu zählen Ansätze, die mehr nach einer Kooperative oder Kommune als einer Ansammlung von Privatunternehmern aufgestellt sind. Konzepte, die die Idee einer Vermarktungskooperative aufgreifen und den Marktauftritt für die Kunst nicht dem Einzelnen sondern eine starken Künstlergemeinschaft überantworten. Und dazu zählen Gesellschaftsmodelle, die sich weniger auf den Schutz des  “geistigen Eigentum”  als vielmehr auf die Unterstützung der individuellen Kreativität eines sozial eingebundenen Künstlers konzentrieren.

Eine Lösung des Problems scheint nicht trotz sondern gerade angesichts der überzogen individualistischen Ausrichtung unser paradoxerweise sozial genannten Medienlandschaft kurzfristig nicht möglich. Nur der nachhaltige soziale Zusammenschluss der Künstler untereinander und das gemeinsame Abfedern der radikalen Marktkräfte kann wenn überhaupt Optionen für echte künstlerische Freiheit generieren – Freiheit die klare Grenzen braucht und nicht die illusionäre Grenzenlosigkeit virtueller Cyberwelten. Bei genauerem Hinsehen also wenig überraschend wird der Künstler nur dort wirklich den intendierten “Wert” durch seine Kunst schaffen, wo er persönlich Verantwortung für sein soziales Umfeld übernimmt und mit seiner Gemeinschaft eine moderierte Kultur künstlerischer Freiheit schafft. Privatwirtschaft, Staat und Institutionen können eine solche Kultur immer nur teilweise stützen – generiert werden muss sie vom Künstler und seinem Netzwerk selbst. Gewarnt werden kann daher nur vor allen kurzsichtigen Versuchen, Vermarktungsprozesse an Plattformen, Gadgets, Shops oder Ähnliches auszulagern ohne die künstlerische Gemeinschaftskultur in den Prozess zu integrieren. Kein technisches System der Welt kann am Ende sozialen Zusammenhalt ersetzen. Und wenn die Kunst auch ihren kritischen Gehalt gegenüber Marktprozessen behalten soll dann gilt noch viel mehr: Nur durch gemeinschaftliche Kraft kann dem Unbill und der Beliebigkeit des schwankenden Marktes getrotzt werden – andernfalls der einzelne Künstler schnell in den Fluten des kapitalistischen Ozeans ertrunken ist.

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